Buttercremetorte

Wie jeden Samstag drückte sie Punkt halb vier auf den Klingelknopf, wie jeden Samstag streute er gerade noch die letzten gerösteten Mandeln auf die Buttercremetorte, wie jeden Samstag standen ihm die Schweißperlen auf der Stirn, als er ihr den Begrüßungskuß aufdrückte, und wie jeden Samstag bat er sie, sich schon einmal umzuziehen, er müsse nur noch schnell den Kaffee aufsetzen, dann sei aber alles bereit.

Während er eine Filtertüte Größe 4 aus der Packung nahm, in den Filterbehälter setzte, sorgfältig sechs Meßlöffel abzählte, exakt einen Liter Wasser und keinen Millimeter mehr oder weniger in die Maschine schüttete und mit einem zufriedenen »So!« den Knopf drückte, zog sie sich in seinem Schlafzimmer aus und streifte die weiße Kittelschürze aus Dederon über, die er auf dem Bett für sie bereitgelegt hatte, nur die Kittelschürze, nichts darunter, so wollte er es und so mochte sie es auch, jedenfalls, wenn sie mit ihm hier am Samstag zusammen war.

Wenn sie dann aus dem Schlafzimmer kam, sie ließ sich extra viel Zeit, damit er nicht in Verlegenheit kam, war alles schon fertig. Die Kaffeetassen, Meißner Porzellan, Kobaltblau, waren einander gegenüber auf dem niedrigen Couchtisch eingedeckt, der Teller mit der Buttercremetorte, in zwölf gleich große Stücke geschnitten, stand vor ihrem Platz, die Kanne mit dem Kaffee, auch ein Erbstück in Kobaltblau, in der Mitte auf einem geklöppelten Deckchen.

Sie setzte sich in den apricotfarbenen Cocktailsessel, er schenkte die erste Tasse ein und setzte sich dann in den blauen, wie jeden Samstag, er: »Man muß den Kaffee trinken, solange er heiß ist«, wie jeden Samstag, sie: »So ist es, lauwarm schmeckt der Kaffee nicht, und auch die Liebe«, wie jeden Samstag. Sie schlürften jeden Schluck hörbar und ließen ein »Aahh!« folgen, sobald er die Kehle hinuntergeflossen war, ein »Aahh!« irgendwo zwischen Seufzer und lustvollem Stöhnen. Jeder von ihnen trank vier Tassen, wie jeden Samstag, das letzte »Aahh!« besonders tief und lustvoll.

Beide setzten ihre Tasse nach dem letzten Schluck gleichzeitig ab, nach drei Jahren Übung waren ihre Bewegungen synchron, schoben sie in die Mitte zur Kaffeekanne, sie fragte: »Darf ich jetzt?« und er nickte: »Ich bitte darum«, wie jeden Samstag. Sie öffnete die beide oberen Knöpfe ihrer Kittelschürze, damit er sich an ihren Brüsten satt sehen konnte, Körbchen D, darauf war sie stolz, während sie die Buttercremetorte allein vertilgte, so, wie es sein Wunsch war.

Mit ihren bloßen Händen griff sie hinein, riß große Stücke heraus, stopfte sie sich in den Mund, drückte nach, wenn sie nicht schnell genug darin verschwinden wollten, »Mmmh« und »Ohhh« und »Aahh«, ihre Begeisterungslaute wurden durch die Biskuitbuttercrememasse in ihrer Mundhöhle ziemlich gedämpft, er wußte nicht, wohin er schauen sollte, auf ihre Titten oder auf ihren Schlund, der gierig Stück für Stück verschlang, und die Erregung teilte sich ihm warm und kräftig mit. Endlich, wenn nur noch ein Stück übrig war, öffnete sie den Kittel vollends, und verschmierte den Rest der Torte unter Grunzlauten auf Brüste und Bauch, er schob den Couchtisch beiseite, kniete sich vor ihren Sessel und schleckte die süße Masse von ihr, bis alles sauber war. Dann zog sie seinen Kopf heran, preßte ihn an sich und drückte ihn nach unten: »Weitermachen, mein Schatz, ich bin noch nicht fertig.« Morgen war Sonntag. Morgen war er dran. Da besuchte er sie und sie machte, wie jeden Sonntag, Thüringer Klöße, Rotkraut und Rostbratwürste. Und für Nachtisch würde er wieder das Glas mit dem Born-Senf, mittelscharf, aus ihrem Kühlschrank holen, auf seinen Riemen schmieren und sie durfte ihn abschlecken.

Veröffentlicht unter Kurzgeschichten | Schreib einen Kommentar

Sprachkritik

Während »Ficken« die körperliche Begegnung auf die Ebene mechanischer Reizung hinabzerrt, wohnt »Vögeln« etwas beschwingt Flatterndes inne.

Agape. Eros. Philia. Was man in der Antike noch fein säuberlich getrennt hat, wird heutzutage und hierzulande als »Liebe« zu einem undefinierbaren Brei vermengt.

Veröffentlicht unter Bagatellen | Schreib einen Kommentar

Realität

In der quietschenden Tür offenbart sich die Realität.

Veröffentlicht unter Bagatellen | Schreib einen Kommentar

Heimatkunde

Urstromtal
Grundmoräne
Endmoräne
Marsch
Geestkante

Wörter als schlechte Verstecke,
zwölf Jahre,
die sich in Erdzeitaltern auflösen

Heimat
Kiesgruben
Rübenäcker
Kartoffelfeuer
Völkerball

Miefige Tünche auf dem Nazischrott in den Hirnen ringsumher:

Bauern
Lehrer
Bürgermeister
alte Kameraden
Schützenbrüder

PÄD-O-ZÄN, DAS ZEITALTER DES ROHRSTOCKS

Der Bambus zersplittert auf dem Rücken. Heiner weint und schleicht nach Hause. Der erste Schultag ist zu Ende, wir wissen jetzt Bescheid und das Leben kann beginnen.

MUH-O-ZÄN, DAS ZEITALTER DER KUH

Nicht nur im Stall, auch bei den Mädchen im Konfirmandenunterricht tut sich schon etwas: züchtige Blicke, Polster in den Blusen, eine Mark für ein Bild aus dem Wäschefach meines Vaters

Eine Mark, das sind zehn Wundertüten, fünfmal Nick, der Weltraumfahrer, dreimal Tibor, zweimal Sigurd

Icke steigt auf den Stuhl, um dem Pastor auf die Glatze zu spucken, der steigt auf den Tisch.

Unentschieden.

Icke heißt so, weil er aus Berlin kommt, am Sonnabend dreht er den Schwanz der angestochenen Sau, damit das Blut schneller fließt.Blut in der Schüssel. Der Trichinenbeschauer lacht. Die Männer trinken Doppelkorn.

Olympia hinter dem Haus: alle sind Martin Lauer, ein rostiger Nagel in der Hürde, Gerhard reißt sich das linke Ei auf, Krankenwagen: Blut auf dem Feldweg.

Das Kind soll nicht von ihm sein, Richards Vater sticht zu, sechsundzwanzigmal mit dem Taschenmesser: Blut auf dem Spargel. Das Dorf steht in der Bild-Zeitung.

Der alte Runge und Susanne Kray gehen zum letzten Mal in ihrem Leben über die Straße: Blut auf dem Asphalt.

Schmidts Brie, der Säufer, auch, zwei Promille: Der Kopf ist Matsch.

Ein Heldentod!

Heldengedenken am Sonntag:

Alle acht Klassen strammgestanden vor dem Kriegerdenkmal, die Feuerwehrkapelle spielt die Nummer neun, langsam, im Tempo der Tränen.

Hände
Beine
Hoden
Heimat
Krieg

Alles ver­loren!

Das Fernweh bleibt:„Komm, steig in mein Boot“, „Vor dem Frauenhaus in Algier“, „Seemann, laß das Träumen“

Das Heimweh auch: „Dort wo die Blumen blüh‘n, dort wo die Täler grün, dort war ich einmal zu Haus“

Steinhauers Gasthaus: Mein Vater gibt mir eine Cola aus und 20 Pfennig für die Musikbox, ich drücke „Das letzte Hemd hat keine Taschen“, mein Vater singt mit, der Kunstmaler und Alt=Nazi am Nebentisch weint dazu und gibt mir eine Mark.

Eine Mark, das sind zehn Wundertüten, viermal Nick, dreimal Silberpfeil, zweimal Sigurd, nur einmal Tibor.

Schützenfest: Am Sonntagnachmittag spielt die Feuerwehrkapelle, die Nummer neun, was sonst, aber schnell, für das Tanzbein

Stacheldraht
Adenauer
Kennedy
Kubakrise
Faschismus

Faschismus, so tauft mein Vater die Kuh, die meinem Bruder den Dünnpfiff in scharfem Strahl aufs Auge scheißt.

Die Jungs so früh mit Politik verderben, ereifern sich Onkel und Tanten: Wo soll das enden? Bei Hottentottenmusik und Veitstänzen, da sind sich alle einig.

Rockin‘ Bones an der Badestelle, Bernd Goschke, der Lehrersohn, ein Halbstarker, der nicht ins Dorf paßt, und seine Band, Gitarre, Besenstiel und Benzinkanister, die Kühe glotzen, meine Füße zucken.

Im Jahresrückblick zwischen Weihnachten und Neujahr im Radio wird der Rock‘n‘Roll für tot erklärt, schade.

Erntefest zwei Jahre später: die Feuerwehrkapelle spielt die Nummer neun als Twist, mein Bruder und die Cousinen tanzen, Hula-hoop ohne Reifen, an der Schießbude, zwanzig Pfennig der Schuß, Plastikblumen und bunte Bilder von vier jungen Männern mit Pilzköpfen, John, Paul, George und Ringo, die Namen kann ich schon, die Texte nicht, meine Haare viel zu kurz: Pißpottschnitt von Onkel Gerd, dem Briefträger mit der verkrüppelten Hand.

CAMP-O-ZÄN, DAS ZEITALTER DER MUNDORGEL

Die Rohrstöcke werden eingemottet, gepflegtes Haar darf auch lang sein.

Die frechen Schwestern aus der Baracke schleppen ihren Plattenspieler in unser Zelt: „Skinny Minnie“, „You Really Got Me“ und „Hippy Hippy Shake“.

CVJM: Guri, der brave Sohn des anderen Lehrers ist unser Führer.

Chai im Kessel über dem Lagerfeuer, Heinz pinkelt gegen den Elekrozaun und ist ein Held. Unser Führer zeigt uns, wie man vorschriftsmäßig wichst, kommt aber nicht zum Ende, Skilly muß ihn lutschen, darf aber Klopapier drumherum legen …

Süße Jugend, wo bist du geblieben?

Veröffentlicht unter Nonfiction | Schreib einen Kommentar

Erotik und Fußpilz

Oma kauft sich einen Nazi und Opa schweigt dazu.
Erotik und Fußpilz!

Jack Kerouac pißt sich vor Freude in die Unterhose.
Erotik und Fußpilz!

Goethe wirft ein Tintenfaß an die Wand!
Erotik und Fußpilz!

Und ein Hund spuckt zurück!
Erotik und Fußpilz!

Und dann kommt der Sohn aus Ostrhauderfehn.

Veröffentlicht unter Gedichte | Schreib einen Kommentar

Frühlingsgefühle

Der Camembert der Liebe
zerläuft im Sonnenschein.
Das Windrad meiner Triebe
darf nicht gefesselt sein.

Veröffentlicht unter Gedichte | Schreib einen Kommentar

Guten Morgen

Die geballte Ladung
Elend dieser Welt
sonntags in der Früh‘
Wen soll das beeindrucken
vor dem ersten Kaffee?

Veröffentlicht unter Gedichte | Schreib einen Kommentar

Torten aus Worten

Es rumpelt
und pumpelt,
es holpert
und stolpert:
Nennt doch sich Gedicht.

Mit Reimen,
die schleimen,
und Torten
aus Worten:
Direkt ins Gesicht.

Veröffentlicht unter Gedichte | Schreib einen Kommentar

Geiler Rentner

Der schwerste Mann im Menschenzoo,
der Herrgott, wiegt drei Zentner.
Und drüben auf dem Damenklo
da wichst der geile Rentner.

Veröffentlicht unter Gedichte | Schreib einen Kommentar

schal

so viele biere
sind mir lau geworden
in der hand
abgestanden
das leben
das eine jedoch
gezappft in der mittagshitze
werde ich stets erinnern

Veröffentlicht unter Gedichte | Schreib einen Kommentar